Literatur mit Reibungsfläche

Spontane Einfälle zum Werk des S. Gaffory

Nicht viele Menschen haben das Glück, dass sie sich mit dem Autoren höchstpersönlich über ein Schriftstück austauschen dürfen, das ihnen gut gefällt. Ich hatte das Privileg und durfte mich mit Stefan Gaffory über seinen Roman unterhalten. Wir trafen uns in der wohl bekanntesten Raucherkneipe Karlsruhes, der Halsschlagader der Südstadt und berichtete ihm von meinen Eindrücken, die ich auch hier teilen werde.

Der Roman Die Papageienschaukel thematisiert die Idee der Katharsis, die in jedem Herzen eines jeden Menschen abspielen kann. Fehlbarkeiten sowie abgrundtiefes nimmt der Autor genau unter die Lupe. Er beschreibt existentiellste Themen, die im Alltäglichen meist verborgen bleiben. Gaffory besitzt die Fähigkeit, Sprachbilder zu erzeugen, die so intensiv sind, dass sie sich anfänglich für mich wie ein Wühlen in meinen Eingeweiden anfühlten. Der Schreck machte dann einer immensen Faszination Platz. Ich musste einfach weiterlesen und herausfinden, wie er bestimmte Motive zusammenknüpft und löst. Es gelingt ihm, Konflikte und Zusammenstöße seiner Figuren zu veranschaulichen, die mich in ein Erstaunen versetzt haben, wie schon lange keine Literatur mehr. Sein Blick ist messerscharf und macht selbst vor intimsten Sphären keinen Halt. Ohne Verklärung beschreibt er menschliches, sodass ich gar nicht anders konnte als mit der Hauptfigur mitzufiebern und mitzufühlen. Ganz nach seiner Devise gibt er Einblicke in die Innenwelt seiner Figuren, legt dunkle Aspekte offen und löst Reaktionen aus, die im Alltagsbewusstsein keinen Platz mehr haben dürfen. Ein literarischer Grenzgänger, der die Worte hervorragend zu nutzen weiß. Überhaupt beschreibe ich seine Sprache als formvollendetes Deutsch, das nie langweilt und immer nahrhaft ist. Mein Gehirn hat sich unterhalten und gefordert zugleich gefühlt. Ein Mensch, der mit kontroversen Darstellungen spielt und ihnen einen Raum bietet, um gedacht und gefühlt zu werden. Mit wenigen Mitteln schafft er maximale Wirkung und regt an, den Panzer des gutbürgerlichen und gesitteten fallen zu lassen, um sich mit schattigen und schleimigen Aspekten unseres Daseins zu beschäftigen. Ohne Urteil lässt er uns an jenen Perspektiven teilhaben, sodass wir womöglich ebenfalls – und vielleicht zum ersten Mal – einen reinigenden, wertfreien Blick auf uns selbst werfen können. Ein Literat, dem die homogene Kunst zuwider ist, dem der Vordergrund und der Hintergrund gleichermaßen wichtig sind. Für sich selbst schreiben hält er für falsche Bescheidenheit, ihm ist der Austausch mit seinen Lesern wertvoller. Literatur hat in seinen Augen die größte Tiefe und den längsten Atem. Eine Erkenntnis, die sich in seinem Werk widerspiegelt. Es wäre ratsam, diesen Schriftsteller weiter im Auge zu behalten und ihn auf seinen Lesungen in Karlsruhe mit eigenen Ohren zu hören. Wer sich erst einmal auf die außergewöhnlichen Inhalte eingelassen hat, der wird reich belohnt.

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